Pavel wurde am 24.12.1965 in Znaim geboren, in der damaligen Tschechoslowakei, im ehemaligen Ostblock, hinter dem damaligen, damals nahen Eisernen Vorhang. Dort war das Weihnachtsdatum offiziell kein besonderes, aber Pavel glaubte ab dem Augenblick, an dem er die Bedeutung des Datums begriff, dennoch, dass er jemand ganz besonderer wäre, jemand, dem ein besonderes Leben bevorstünde. Er war ein später dritter Sohn, wahrscheinlich ungeplantes, ungewolltes Kind seiner Eltern gewesen; sein ältester Bruder, 20 Jahre vor ihm geboren, lebte nur deswegen noch zu Hause, weil ihm einfach die Mittel fehlten, sich auf eigene Beine zu stellen. Sein zweiter Bruder war gerade dabei, von der Schule zur Lehrausbildung in ein Maschinen-Kombinat zu wechseln. Er selber hinderte die Eltern offenbar daran, etwas freier und unbeschwerter zu leben. Und diese ließen es ihm spüren, durch Unfreundlichkeiten, durch Lieblosigkeit, durch ständige Einteilung zu irgendwelchen Verrichtungen.

Pavel suchte sich seinen eigenen Weg, der weniger aus Fluchten in Fantasiewelten bestand, sondern auf überaus pragmatische Überlegungen aufsetzte. Nicht, dass es nicht auch Fantasien gegeben hätte: Sein erster Held war Zorro, ihm bekannt aus abgegriffenen Comics-Heften, die zwischen den Jugendlichen hochgeheim getauscht wurden, und irgendwelchen uralten Schwarz-Weiß-Filmen. Dann wurden amerikanische Bodybuilder und Superhelden-Comics Mode, und seltsamerweise gefielen ihm hier am besten der Joker, die närrischen Streiche, der Zynismus des Jokers. Er selber hatte den Witz des Jokers nicht, das ahnte er sehr konkret. Mutig war er, kräftig, hemmungslos und brutal, aber die Leichtfüßigkeit jedweden Witzes, die fehlte ihm. Einige Streiche, einige Redewendungen lernte er sich ein: Wenn es dann darum ging, seine Stellung zu behaupten, Streitigkeiten mit konkurrierenden Jugendlichen auszutragen, dann spielte er diesen gern diese eingelernten Streiche, böse, verletzende, vernichtende Streiche, und versäumte auch nie, sich als Urheber auszugeben. Seine Dubletten wurden zwar rasch erkannt, doch niemand getraute sich das ihm gegenüber auch nur anzudeuten, man wollte seinen auch in Jugendjahren schon brutalen Zorn nicht zu spüren bekommen.

Pavels Eskapaden führten letztendlich dazu, dass er in eine Anstalt für schwer erziehbare Kinder gesteckt wurde. Es gibt wohl kein besseres Trainingslager, Mechanismen und Mittel der Macht zu erlernen und zu üben, als solche Heim- oder Lagerstrukturen, in denen man auch die Konsequenzen des eigenen Handelns relativ sanktionslos ausprobieren konnte. Die Strafrahmen waren bekannt und erträglich, man war ja quasi schon am untersten Ende der Gesellschaft angekommen.

Im Heim machte er auch seine Schulausbildung fertig. Er absolvierte eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker. Beides begeisterte ihn nicht, interessierte ihn nur mäßig, aber das, was er für verwendbar hielt, das speicherte er sich ab. Und am verwendbarsten war ihm, dass man ihm aus dem Heim entließ mit dem Anschein, ein berufsausgebildetes, brauchbares Mitglied der Gesellschaft zu sein.

Während er sich lavierend zwischen verschiedenen Firmen, die Fachkräfte suchten, herumtreiben ließ, trieb er sich selber in den Halbwelten Znaims, in das er wieder zurückgekehrt war, herum. Die nahe Grenze zu Österreich reizte ihn, da musste sich ja wohl irgendetwas Gewinnbringendes machen lassen, etwas abenteuerliches, etwas mit raschen, hohen Margen, besser als an jedem normalen Arbeitsplatz. Die Grenze hatte ihn schon als Kind begleitet: Oft war er mit seinen Freunden dort herumgestreift, wo plötzlich die Felder, die gepflegten Wälder aufhörten, übergingen in ein wildes Buschwerk mit Heidewiesen, wo nur manchmal eine Straße zu den Wachtürmen führte, die sie mieden wie nur möglich, beides, die Straßen, die Wachtürme. Sie kannten die Geschichten von den Todesschüssen, von den Elektrozäunen, von den Tretminen., und es waren nicht nur Geschichten von weit weg: Alle paar Wochen passierte wirklich etwas, gab es Begräbnisse, zumindest Trauerfeierlichkeiten.

Mit der Grenze ließen sich nicht wirklich Geschäfte machen, zu streng waren die Regeln angelegt und umgesetzt, aber dann, im Sommer 1989, fiel der Eiserne Vorhang. Unmengen von Menschen drängte über die ehemalige Grenze nach Österreich, nicht nur Tschechoslowaken, auch aus Ostdeutschland, Polen. Die Geschäfte begannen besser zu gehen, wenngleich auch nicht wirklich gut: Ein paar Transporttätigkeiten hier, ein kleiner Betrug oder Diebstahl da. Bis Pavel begann, Expeditionen tiefer nach Österreich hinein durchzuführen.